Vom moralischen Vegetarismus zur Zoopolis. Die politische Wende in der Tierethik

Fragen, die den Umgang von Menschen mit (anderen) Tieren betreffen, wurden lange Zeit primär als ethische Fragen verhandelt. Ethische Fragen werden zwar (überwiegend) nicht als Fragen des Geschmacks verstanden; sie tendieren aber dazu, im Privaten zu verharren. So finden sich beispielsweise was Tiere betrifft ethisch recht anspruchsvoll klingende Formeln im deutschen Grund- und Tierschutzgesetz – der Schutz von Tieren hat Verfassungsrang (GG, Art. 20a), es ist von ihnen als „Mitgeschöpfe“ die Rede (TierSchG, §1), sie werden an zahlreichen Stellen als empfindungsfähige Wesen anerkannt, was bedeutet, dass ihr Wohlergehen zu fördern ist, und ihnen darf ohne vernünftigen Grund nicht nach dem Leben getrachtet werden. Gleichzeitig ist allseits bekannt, dass diese Formeln wenig bis nichts daran ändern, dass Millionen an Tieren jedes Jahr für menschliche Zwecke benutzt und vernichtet werden, wobei ihr Dasein oft von großem Leid geprägt ist. Vor diesem Hintergrund gewinnen Positionen, die über ethische Fragen hinausgehend den Umgang von Menschen mit anderen Tieren politisch fassen, an Bedeutung.

In diesem Kurs wollen wir uns in drei Schritten mit diesen Entwicklungen auseinandersetzen. In einem ersten Schritt soll mit tierethischen Positionen aus dem Utilitarismus, der Deontologie und der Tugendethik das im Mainstream der Ethik bislang Erreichte kennengelernt werden. In einem zweiten Schritt werden wir mit Texten zur Tierbefreiung und zum Entwurf einer Zoopolis zwei politische Positionen kennenlernen. Drittens wollen wir uns mit zwei konkreten Fragen näher befassen: erstens, verstanden als ethische Frage, ob man Fleisch essen darf; zweitens, verstanden als politische Frage, ob Tiere Freiheit brauchen. Dabei werden auch die vielen Schnittstellen von Ethik und Politik deutlich.