Fachschaft Philosophie
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Kurse der Sommerakademie 2011

Wolfgang Detel: Klassische und moderne Hermeneutik

Die Hermeneutik gilt traditionell als Theorie und Methodenlehre des Verstehens von Texten und daher auch als Methodologie der Geisteswissenschaften. Allerdings wird die Hermeneutik in den modernen Literaturtheorien und Geisteswissenschaften als veraltete Theorie des Textzugangs angesehen, die von einer Reihe neuerer Ansätze abgelöst wurde – etwa von der Semiotik, der Philosophischen Hermeneutik, dem Poststrukturalismus und gesellschaftstheoretisch, psychoanalytisch oder kulturwissenschaftlich orientierten Deutungen.

Doch zeichnet sich heute das Konzept einer modernen Hermeneutik ab, die über die klassische Hermeneutik entschieden hinaus geht und weitreichende Perspektiven eröffnet. Dieses Konzept geht davon aus, dass eine moderne, zeitgemäße Hermeneutik im Theorierahmen der modernen Theorie des Geistes entfaltet werden sollte. Auf diese Weise kann die Methodologie, Autonomie und spezifische Leistung der Geisteswissenschaften (das zentrale Thema der traditionellen Hermeneutik) weitaus präziser beschrieben und überzeugender gewürdigt werden als jemals zuvor in der Geschichte der Hermeneutik.

Zugleich führt die die moderne Hermeneutik aber thematisch über alle bisherigen Varianten der Hermeneutik hinaus.

Denn zum einen zeigt sie, wie tief das Verstehen in der evolutionären Entwicklung höherer Tiere verankert ist und welche überragende Rolle Verstehensprozesse dabei spielen. Dabei wird deutlich, dass die Fortschritte im Verstehen geistiger Zustände, die sich bei Menschen gegenüber Primaten feststellen lassen, wesentlich für die Menschwerdung (insbesondere für Sprachfähigkeit und kumulative Kulturen) verantwortlich sind. Auf diese Weise wird die moderne Hermeneutik zu einer Grundlage der Anthropologie.

Zum anderen adressiert die moderne Hermeneutik neben der Methode des Textzugangs auch das Verstehen geistiger Zustände (das sog. mind-reading), das eine Basis aufgeklärter sozialer Interaktionen ist. Das Verstehen spielt in diesem Kontext eine grundlegende ethische Rolle für humane soziale Beziehungen.

Und drittens beschäftigt sich die moderne Hermeneutik nicht nur mit der Kunst der methodischen Auslegung wissenschaftlicher und literarischer Texte, sondern auch mit dem schnellen, automatischen Verstehen (dem sogenannten Parsen),

Die moderne Hermeneutik deckt also einen weiten Gegenstandsbereich ab und hat erhebliche Konsequenzen für die Anthropologie – für die Erklärung der menschlichen Kognition, Sprachfähigkeit, Kultur und Sozialität. Dafür hat sie substantielle Theorien aus verschiedenen Disziplinen heranzuziehen, von der Primatologie über die Linguistik und die kognitive Psychologie bis hin zur Philosophie (auch die Neurobiologie wirkt als Hilfswissenschaft mit). Die moderne Hermeneutik ist daher ein interdisziplinäres Unternehmen.

In diesem Kurs sollen die Umrisse dieser Form einer geist-theoretisch informierten zeitgemäßen Hermeneutik in Umrissen vorgestellt und diskutiert werden. Aus dieser Perspektive wollen wir aber auch ein (unvermeidlich kurzen) Blick auf die klassische Hermeneutik von der Antike bis zum Ende des 19. Jahrhunderts sowie auf die in den letzten Jahrzehnten führenden hermeneutischen Ansätze werfen.

Sabine Döring: Gründe und Gefühle

Die Gefühle haben in der Philosophie der Gegenwart eine Renaissance erfahren. Verantwortlich hierfür ist vor allem die Einsicht, daß Gefühle eine rational rechtfertigende (und nicht bloß eine verursachende) Rolle spielen können. Insofern Gefühle dabei stets Bewertungen sind, ist diese Einsicht von besonderer Relevanz für die Theorie der Werte und damit zugleich für die Ethik. Um so mehr muß es verwundern, daß die moderne Philosophie der Gefühle nach wie vor relativ unverbunden neben der Ethik steht. Im Kurs soll untersucht und diskutiert werden, wie sich beide Bereiche verbinden lassen.

Ausgangspunkt ist dabei „das“ Problem der Moral (Michael Smith), d. h. die Frage, wie moralische Urteile motivierende Kraft haben und dennoch objektive Geltung für sich beanspruchen können. Während Humeaner meinen, daß moralische Urteile uns deshalb zum Handeln motivieren, weil sie letztlich in arationalen „Wünschen“ gründen, insistieren Anti-Humeaner, daß Vernunft allein motivierende Kraft habe. Diese Positionen haben ihrerseits Konsequenzen für den jeweils behaupteten Geltungsanspruch moralischer Urteile. Humeaner sind entweder Projektivisten oder leugnen als Realisten die motivierende Kraft moralischer Urteile. Dagegen treten Anti-Humeaner für einen Objektivismus wie beispielsweise einen Kantischen Konstruktivismus ein. Im Kurs werden wir diese Positionen an einzelnen Texten exemplarisch behandeln, um sodann eine weitere Alternative aufzuzeigen, die sich genau aus der Integration „rationaler Gefühle“ ergibt. Damit wird einerseits ein Überblick über die Metaethik der Gegenwart gegeben, andererseits ein neuer Theorievorschlag unterbreitet, der Gefühlstheorie und Ethik versöhnt.

Michael Esfeld: Die Bedeutung der Quantenphysik für die theoretische Philosophie der Gegenwart

Die Arbeitsgruppe von Prof. Michael Esfeld wird das Thema "Philosophie und Gegenwart" bezüglich des Standpunkts der Philosophie der Physik behandeln. Sie befasst sich mit der Bedeutung der Quantenphysik für die theoretische Philosophie der Gegenwart: Die Quantenphysik widerspricht einer Reihe traditioneller metaphysischer Annahmen über den Aufbau der Welt, wie zum Beispiel der Annahme einzelner Objekte mit einer intrinsischen Identität. Ziel der Arbeitsgruppe ist es, der Bedeutung der Quantenphysik für die Entwicklung einer Metaphysik nachzugehen, die dem gegenwärtigen Stand der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse gerecht wird. Es werden keine physikalischen Kenntnisse vorausgesetzt; es wird aber erwartet, dass die TeilnehmerInnen die Akademie anhand eines Einführungstextes des Dozenten vorbereiten.

Ludwig Siep: Philosophischer Holismus und Freiheit bei Hegel

Der Kurs soll die Hegelsche Grundkonzeption eines logisch-ontologischen Holismus und seine Konsequenzen für Naturphilosophie, Psychologie und Philosophie des „objektiven Geistes“ (Ethik, Rechts- und Staatsphilosophie) erläutern. Besonders nachgegangen wird der Bedeutung dieser Konzeption für das Thema „Freiheit“ in allen Aspekten. Bezüge zur Gegenwartsphilosophie werden sich immer wieder aufdrängen.


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